María Tapia

Eingang zum Arbeitsraum

María Tapia empfängt uns in ihrem Atelier.

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Geschichte ihrer Kunst

Wann begann María Tapia Kunst zu machen? Sie weiß noch nicht, ob sie wirklich Kunst macht. Von Beginn an arbeitet sie mit den Händen. Als kleines Kind stellte sie spielerisch irgendwelche Sachen her. Sie wohnte in einem großen Haus mit Garten, wo sie kleine Objekte aus Ton und Holz herstellte. Danach studierte sie jahrelang Design und arbeitete als Modedesignerin. Der Stoff war immer mit ihrer Arbeit verbunden. Heute hat sie immer noch ein Atelier mit Nähmaschinen. Damals war sie an der Kunstakademie, aber sie hat sich mehr für das Design interessiert. Zu dieser Zeit war das Design eine große Neuartigkeit in Argentinien. Ihre Großmutter war gegenüber dem Design-Studium sehr skeptisch, änderte aber später ihre Meinung und hat eine große Zukunft für das Design in Argentinien prophezeit. Damals drehte sich die Diskussion um das Kopieren bzw. das Nachmachen der aus dem Ausland kommenden Designs. Die wenigen Designer, die einen Job hatten, folgten dem Auftrag, alles was vom Ausland kommt zu kopieren anstatt das Lokale zu reflektieren. María Tapia glaubt fest daran, dass man den kreativen Aspekt innerhalb des lokalen Kontexts entwickeln sollte, unabhängig von den großen Kleidungsmarken. Jahrelang arbeitete sie selbständig für verschiedene Firmen bis 1990. Danach fingen die Textilfirmen an zu fusionieren. Das hat sie geärgert. Sie war immer eine schlechte Händlerin. Sie dachte, mit der Kleidung könnte man die Mentalität der Leute verändern und manche Modeparadigmen brechen. 1990 begann sie als Meinungsforscherin zu arbeiten und sie tut es immer noch. Sie arbeitet als Dozentin, als Meinungsforscherin und manchmal verkauft sie ihre Kunst. Es ist ihre Form das Brot zu verdienen und sich die Freiheit erlauben, das was sie will, zu machen.

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Politische Militanz

Letztes Jahr legte sie ein Projekt für das Programm "INCLUIR" vor. Dieses Programm richtet sich an Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren, die keinen Zugang zur Bildung haben. Das beschäftigt Maria Tapia ständig. Was sie als Künstlerin macht, ist das was ihr passiert, was sie ärgert, was sie nicht ärgert, was sie erlebt. Sie ist Mitglied einer Gruppe von Leuten, die keiner offiziellen politischen Linie angehören. Sie selbst war in den 70er Jahren politisch aktiv und dabei hat sie ihren Ehemann und viele Freunde verloren. Sie betrachtet die Militanz als eine Kontrolle der politischen Ereignisse. Ob sie selbst aufmerksam genug ist? Sie zweifelt daran. Als sie 20 Jahre alt war, hat sie ihren größten Verlust gehabt. Und die Angst bleibt. Möglicherweise war diese Angst sehr groß. Es sind 30 Jahre her und sie spricht immer noch voller Gefühl darüber. Erst vor Kurzem konnte sie die Geschichte zurückblicken und einige Sachen wieder zurückholen z.B. die Hochzeitsfotos. Sie heiratete unter sehr spezielle Umstände und eine Woche nach der Hochzeit wurde ihr Ehemann verhaftet und gilt seitdem als verschwunden. Sie waren 20 Jahre alt. Sehr jung. Ihnen war es zu wenig bewusst, was der Wunsch nach „eine bessere Welt für alle“ bedeutete. Das war das Einzige, was sie wollten.

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Kunst

Für Maria Tapia ist die Kunst in Argentinien auf bestimmte Sektoren beschränkt. Argentinien ist voller Künstler insbesondere Theaterstraßenkünstler. Das ist ein fruchtbarer Boden aber diese Kunst gelangt nicht in die Galerien. Es wird nicht als Kunst aufgenommen. Andrerseits ist es wichtig, dass Kunst auf der Straße geschieht.

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Werke

Maria Tapia arbeitet gerade an einer neuen Idee. Sie schweißt mit Ballendraht, --der sehr empfindlich ist- und verwendet dafür Strom. Sie betrachtet diese Arbeit jedoch als ein wenig „absurd“. Außerdem beschäftigt sie sich mit der Bildhauerei und arbeitet manchmal mit Keramik. Vor allem bearbeitet sie geschweißtes Eisen bzw. angerostete Objekte, die an der Straße oder bei den Schrotthändlern zu finden sind. Ihr Ziel ist es, unverkäufliche Schmuck bzw. Schrottschmuck herzustellen, das zu keinem Objekt wird. Obwohl es sehr schwierig ist, diese Arbeit zu verkaufen, will sie sie machen. Wieso? Vielleicht gerade deswegen, weil wir verrückt sind - antwortet sie. Sie zeigt uns ihre Kollektion dekorativer Objekte. Eine Reihe von Fischen und Vögeln, eine Reihe von kleinen Kerlen, die die männliche Sexualität des argentinischen Machos lächerlich machen. Eine Reihe von Händen. Wieso Hände? Jemand sagte ihr einmal, dass die Hände der engste Kontakt mit dem Anderen ist. Die letzte Wahrnehmung des Menschen ist die Hand. Aber sie weiß es nicht ganz genau. Die Hände sind für sie ihr Werkzeug. Sie hat auch eine Reihe von Kisten aus dem Jahr 2001, eine harte Zeit für die Argentinier aufgrund der Transformationen in der Währungspolitik. Tapia arbeitet auch mit Stoffen und Geweben. Außerdem hat sie eine Reihe Zeichnungen, die Disteln als Grundelement zeigen.

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Philosophische Fragen

Tapia hält manchmal inne, um über ästhetische und plastische Fragen nachzudenken. Aber im Allgemeinen arbeitet sie, ohne auf den Schmerz und die Angst Rücksicht zu nehmen. Man muss das kleine Stück Ruhe, wenn man etwas machen kann, genießen. Alle haben Angstgefühle. Die Angst zu leben, ohne zu wissen warum, ohne einen Sinn zu finden, wenn es überhaupt einen Sinn gibt. Möglicherweise ist das der Grund für ihre jetzige Arbeit, die sie als Unsinn betrachtet, weil es möglicherweise nicht verkauft wird und ihre finanzielle Situation nicht verbessern wird. Die Frage ist: Was machen wir hier? so wie die liegenden Hunde, die mit dem Schwanz wackeln, meint sie. Großteils unseres Lebens wird dem Überleben gewidmet. Theoretisch beruhigt das das Angstgefühl, indem man sich auf die Suche nach Nahrung konzentriert. Wieso lebt sie? Sie wünscht, sie könnte Antworten finden. Es gibt keine Antwort in der Religion, obwohl sie glaubt, dass sie glaubt, aber sie weißt nicht ganz genau woran. Tapia glaubt an den Menschen, mit allem, was das bedeutet. Und manchmal fällt sie in schreckliche Depressionen. Sie könnte nicht leben, ohne zu glauben, dass diese Welt besser werden kann und dass der Mensch viel Potenzial für ein besseres Zusammenleben in sich hat.

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Soziales Netz

Tapias Geschichte hat viel mit dem Militärputsch zu tun. Das war für sie ein Bruch in der gesellschaftlichen Konstruktion. Möglicherweise bedeutet unbewusst ihre Webarbeit den Versuch, etwas Bindendes zu zurückzuerhalten. Das ist ein unvollständiges Gewebe. Normalerweise sind alle ihre Sachen kaputt, unvollendet oder sie fangen mit einer bestimmen Ordnung an und sie enden unkontrolliert.

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Disteln

Viele Leute sagen, ihre Arbeit ist aggressiv. Tapia findet sie eher defensiv. Sie zeigt den Schmerz, den sie im Moment spürt. Sie arbeitet viel mit Disteln. Die Distel wächst ohne Pflege und Argentinien ist damit voll. Aber es gibt niemanden, der das Feld ackert. Es ist ein Schatz, das noch nicht bearbeitet wurde und das verursacht Schmerz und Elend. In diesem Sinne hat die Distel etwas Aggressives in sich vor allem, wenn man sie als Unkraut betrachtet. Aber Tapia sieht sie nicht als Unkraut. Im Gegenteil stellt die Distel für sie den Reichtum des Landes und der Bevölkerung dar. Die Gefahr liegt darin, sie nicht zu beachten. Die Regierenden werden reich und die Kinder… Tapia zeigt uns Zeichnungen von Kindern, die in einem sehr armen Gebiet wohnen, wo es kein Leitungswasser gibt. Das ist für sie unvorstellbar: Es kann nicht sein, dass sowas im 20. Jahrhundert passiert; es kann nicht sein, dass die Kinder verhungern müssen.

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Andere Zeichnungen

Normalerweise tritt das Gewebe in Tapias Zeichnungen hervor. Es hat mit dem sozialen Netz, mit dem Weben, dem Verbinden, dem Wiederherstellen vom Kaputten zu tun.

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